Hast du schon mal 7 Stunden oder mehr durchgeschlafen und hat dich am nächsten Morgen dennoch erschöpft gefühlt?
Dann brauchst du eventuell eine andere Art der Erholung.
Die US-amerikanischen Ärztin und Forscherin Dr. Saundra Dalton-Smith hat ihre „7 types of rest“ definiert, mit denen sie es aus ihrem Burnout geschafft hat.
Ihr ging es in der allgemeinen Medizin- und Gesundheitsbranche zu oft nur um die Optimierung der Schlafqualität. Dabei braucht der Mensch so viel mehr als das für echte Erholung!
Schlaf & Urlaub ist noch lange nicht alles…
Jeder zweite Mensch leidet heutzutage mindestens gelegentlich an Schlafstörungen. In Deutschland ist fast jede zweite Frau und jeder vierte Mann von Schlafproblemen betroffen. Das hat jüngst eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse ergeben.
Beruflicher Stress wird stets als Nummer 1 Schlafräuber aufgeführt, gefolgt von familiären und gesundheitlichen Problemen.
Viele Menschen denken: Wenn wir unseren Schlaf optimieren, und dazu noch ab und zu in den Urlaub fahren, sind wir gewappnet für den Stress der heutigen Zeit.
Doch das ist vielleicht gar nicht so wahr!
Dr. Saundra Dalton-Smith ist nach eigener Burnout-Erfahrung der Meinung, dass ein gesunder Schlaf oder ein bisschen Urlaub in heutigen Zeiten noch lange nicht ausreichend Erholung für den Menschen bringen.
Sie hat sich daher intensiv mit der Frage beschäftigt, wie wir Müdigkeit bewerten:
Wie beurteilen wir Erschöpfung?
Wenn wir zum Arzt sagen: „Ich bin verletzt“, dann kann ein Arzt wenig damit anfangen. Es ist zu vage und unspezifisch.
Genau das gleiche gilt für den Satz: „Ich bin müde.“
Deshalb hat Dr. Dalton-Smith über zehn Jahre lang geforscht, recherchiert, sich verschiedene Arten von Erholung angesehen und sie auf die sieben Wichtigsten reduziert, von denen sie das Gefühl hatte, dass sie den meisten Menschen heutzutage fehlen.
Es gibt sieben verschiedene Arten von Erholung: körperliche, mentale, soziale, geistige, sensorische, emotionale und kreative Erholung.
Jede Art von Ruhe hat ihre eigenen Merkmale, die sich bei einem Defizit äußern.
1. Körperliche Erholung
Die körperliche Erholung hat zwei Komponenten, eine aktive Komponente und eine passive Komponente.
Aktive Maßnahmen sind:
- Yoga
- Dehnübungen
- Massagen
- ein ergonomischer Arbeitsplatz
Anzeichen für ein aktives körperliches Erholungsdefizit sind in der Regel Schmerzen, meist Rückenschmerzen. Es kann sich aber auch über geschwollene Beine und Füße nach langem Sitzen (z.B. am Schreibtisch) äußern.
Passive Maßnahmen sind vor allem
- Schlafen (7+ Stunden)
- Nickerchen / Power Naps
Also: Ja, wir brauchen hochwertigen Schlaf – aber wir brauchen auch sechs weitere Arten der Erholung, beispielsweise:
2. Mentale Erholung
Menschen mit mentalem Erholungsdefizit haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und sich an einfache Dinge zu erinnern.
Und dabei ist nicht die Rede von Alzheimer in den Achtzigern: Es gibt immer mehr Menschen in ihren Dreißigern oder Vierzigern, die sich nicht länger als ein paar Minuten an drei Dinge erinnern können, weil ihr Gehirn so beschäftigt ist.
Jemand mit einem mentalen Ruhedefizit tut sich beispielsweise schwer, nachts einzuschlafen. Wenn der Geist rast und du nicht in der Lage bist, ihn zu beruhigen und einzuschlafen, brauchst du mentale Erholung.
Das gilt auch, wenn du zum Beispiel einkaufen geht und Probleme hast, dich an die drei Lebensmittel zu erinnern, die du einkaufen wolltest.
Tipps zur besseren mentalen Erholung:
- To-Do Listen schreiben
- Checklisten für Alltag, Urlaub & Co.
- Tägliches „Abschalt-Ritual“ zur besseren Trennung von Arbeit und Freizeit
- Auszeit von Problemlösungen nehmen
- Meditieren
3. Soziale Erholung
Soziale Erholung ist die Ruhe, die wir in der Nähe von uns wichtigen Menschen erfahren.
Menschen, die ein Defizit in diesem Bereich haben, verbringen zu oft Zeit mit Personen, die an ihrer sozialen Energie zehren.
Dabei handelt es sich gar nicht um negative Menschen! Es geht nur darum, dass bestimmte Menschen unser Energie-Level (ob bewusst oder unbewusst) ins Negative ziehen.
Dazu zählen Ehepartner, Kinder, Mitarbeiter, oder Kunden – sie alle brauchen etwas von uns und ziehen damit etwas von unserer sozialen Energie ab.
Das merkt man meist in den Momenten, in denen man sich fragt:
„Kann ich bitte mal einen Moment für mich haben?“
Menschen, die soziale Erholung benötigen, haben zu oft das Gefühl, dass man zwar Personen etwas gibt, aber nur selten etwas zurück bekommt.
Eine Möglichkeit, deine soziale Erholung zu steigern, besteht darin, alle Beziehungen zu hinterfragen:
Bist du in einer Freundschaft immer nur derjenige, der gibt? Und wie oft verbringst du Zeit mit Menschen, die einfach mal nichts von dir brauchen, deren Anwesenheit du einfach nur genießt?
Denn das ist es, was wir in unserem Leben haben wollen: Menschen, mit denen wir einfach gerne Zeit verbringen. Ohne Pflichten, ohne Erwartungen.
Auch deine Kinder und dein Lebenspartner können Teil deiner sozialen Erholung sein. Aber du musst dir der Dynamik einer sozialen Beziehung bewusst sein, damit du nicht deine ganze Zeit mit ihnen verbringst.
Tipps zur besseren sozialen Erholung:
- Verbringe mehr Zeit mit Menschen, die dir Energie spenden
- Verbringe weniger Zeit mit Menschen, die dir Energie rauben
- Fordere in jeder Beziehung auch immer etwas für dich ein
- Wenn du eher introvertiert bist, blocke dir Zeit, um alleine zu sein
4. Geistige Erholung
Das Bedürfnis nach geistiger Erholung hängt von deinen eigenen Überzeugungen ab. Im Kern geht es dabei um das Bedürfnis, das wir alle haben: uns zugehörig fühlen.
Es ist das Bedürfnis, das wir für unser Schaffen und für unsere Bemühungen um das Allgemeinwohl empfinden.
Wir wollen das Gefühl haben, dass wir der Gesellschaft etwas zurückgeben.
Jemand, der an einem geistigen Erholungsdefizit leidet, ist jemand, der für einen Gehaltsscheck zur Arbeit geht, aber denkt:
„Was ich tue, ist nicht wirklich wichtig. Was ich tue, nützt niemandem. Ob ich es tue oder nicht, ob ich mir besonders Mühe gebe oder nicht, es wird keinen Unterschied machen.“
Wenn du das Gefühl hast, dass deine Arbeit keinen Sinn hat, wirst du über kurz oder lang ausbrennen.
Finde also etwas, das für dich einen tieferen Sinn hat – sei es durch eine Gemeinschaft oder dessen Ziele. Finde etwas, für das du etwas leistest oder zu dem du etwas beiträgst, das von Bedeutung ist oder an das du glaubst.
Wir alle haben das Bedürfnis, einen wichtigen Beitrag zu leisten und irgendwo dazuzugehören.
Tipps zur besseren geistigen Erholung:
- Werde Teil von etwas Größerem
- Leiste ehrenamtliche Arbeit
- Such dir einen Job, der sich sinnstiftender anfühlt
- Teilnahme an glaubensbasierten Aktivitäten (wenn sie deinem Glaubenssystem entsprechen)
5. Sensorische Erholung
Unabhängig davon, ob du alles um dich herum bewusst wahrnimmst oder nicht, reagiert dein Körper und dein Unterbewusstsein auf alles.
Solche sensorischen Reize begegnen uns häufig in unserem heutigen Alltag.
Dazu zählen unter anderem:
- Telefonklingeln bei den Kollegen
- Das helle (blaue) Licht eines Computers bzw. Smartphones
- spielende Kinder während des Home Office
- Benachrichtigungen auf dem Handy (z.B. WhatsApp oder E-Mails)
- visuelle Hintergründe der Teilnehmer eines Teams-Meetings
Diese sensorischen Reize können mit der Zeit dazu führen, dass du ein Syndrom der Reizüberflutung entwickelst.
Die Meisten von uns reagieren darauf mit Irritation, Aufregung, Wut oder Ärger.
Menschen mit einem sensorischen Erholungsdefizit können an sich beobachten, dass es ihnen zu Beginn des Tages gut, aber im Tagesverlauf immer schlechter geht, bis sie am Ende des Tages oft genervt oder leicht reizbar sind.
Tipps zur besseren sensorischen Erholung:
- Nimm dir eine Social Media Auszeit
- Schalte deine Benachrichtigungen am Smartphone aus (für alles, aber besonders für WhatsApp!)
- Beschränke die Anzahl an Video-Meetings
- Schaffe dir regelmäßig eine entspannende Abendroutine (Musik, Kerzen, etc.)
6. Emotionale Erholung
Emotionale Erholung erleben wir vor allem in Momenten, in denen wir Gefühle echt und authentisch äußern können.
Viele von uns tragen insgeheim eine Menge emotionale Belastung mit sich herum – weil wir anderen nicht gern mitteilen, was wir wirklich fühlen.
Vielleicht bedrückt es dich, weil du deinen Kindern nicht sagen willst, wie schlimm es um die Welt mit Kriegen und Pandemien steht und wie sich die Energiekrise auf eure Finanzen auswirkt. Vielleicht ist es die Angst vor dem Blackout in Deutschland oder einfach nur die Sorge ums Eigentum.
Emotionale Last kann auch beruflicher Natur sein, beispielsweise wenn du im Management tätig bist und Mitarbeiter entlassen oder in Kurzarbeit schicken musst, du deinem Team aber deine Gefühle nicht zeigen kannst, weil du ihnen das Gefühl geben willst, dass alles in Ordnung ist.
Oder du arbeitest als Stewardess und musst zu jedem Fluggast freundlich sein – egal wie unfreundlich er dir entgegnet.
Es kommt häufig vor, dass wir emotionale Belastungen einfach über uns ergehen lassen und unsere Gefühle verstecken.
Ein emotionales Erholungsdefizit äußert sich in erster Linie darin, dass man seine Gefühle und sich selbst immer im Zaum halten muss – dass man nie die Freiheit hat, wirklich authentisch zu sagen, was man fühlt oder denkt.
Tipps zur besseren emotionalen Erholung:
- Verbring mehr Zeit mit Menschen, bei denen du einfach sein kannst, wie du bist
- Lerne, für dich und deine Gefühle einzustehen
- Sprich mit einem Therapeuten oder Mentor über das, was dich bewegt
7. Kreative Erholung
Kreative Erholung ist die Art von Erholung, die wir erfahren, wenn wir uns erlauben, Schönheit in jeder Gestalt zu schätzen. Ob das nun die Natur ist, wie die Ozeane, die Berge und die Bäume – oder menschengemachte Schönheit, wie Kunst, Musik und Tanz.
Ein Defizit in diesem Bereich kann man daran erkennen, dass es einem schwer fällt, kreativ zu sein.
Wenn es dir also schwer fällt, bei einem Brainstorming auf der Arbeit etwas beizutragen oder wenn du das Gefühl hast, deine Probleme nicht gelöst zu bekommen, dann brauchst du kreative Erholung.
Kreativität ist so viel mehr als nur Kunst und Ideen. Sie ist jede Art von Innovation bzw. Erfindergeist und Veränderung.
Jeder von uns hat während der Corona-Pandemie übermäßig viel kreative Energie aufgebracht, weil sich alles, was wir bisher kannten, verändert hat. Heute kennen wir alle die typischen Tipps gegen Langeweile, vor der Pandemie war das kein Thema.
Es mussten viele Probleme gelöst werden, wofür eine Menge kreativer Energie erforderlich war.
Und die meisten von uns, die sich selbst nicht als Kreative sehen, haben nie darüber nachgedacht, wie wir diese Energie, die wir verbraucht haben, wieder zurückgeben können.
Tipps zur besseren kreativen Erholung:
- Genieße ganz bewusst einen Sonnenauf- oder untergang an einem möglichst ruhigen Ort
- Geh in der Natur spazieren oder sogar wandern
- Besuch ein Museum oder Musik- bzw. Kunst-Festival
- Hör dir inspirierende Musik an
- Lies ein Buch
- Schau TV-Dokumentationen
Ok, und womit fange ich jetzt an..?
Es ist nicht untypisch, dass du alle sieben Arten von Erholung brauchst.
Aber das klappt nicht alles sofort und auf einmal.
Es ist in Ordnung und sogar besser, wenn du mit einem Bereich beginnst. Welcher das bei dir ist, das musst du ganz allein für dich entscheiden.
Frage dich am besten, welche Art von Arbeit du derzeit am meisten leistest: Körperliche, Mentale, Soziale, Geistige, Sensorische, Emotionale oder Kreative? Davon kannst du vielleicht ableiten, wo du am ehesten Erholung brauchst, denn dort ist meist das Defizit am größten.
Die Autorin der „7 types of rest“ Dr. Dalton-Smith hat in englischer Sprache ein kostenloses Quiz erstellt, mit dem du herausfinden kannst, in welchen ein oder zwei Bereichen du mit deiner Erholung beginnen solltest.
Worauf muss ich unbedingt achten?
Der Erholungsprozess muss etwas sein, das du fast jederzeit und ohne große Einschränkungen durchführen kannst.
Du musst nicht gleich ein dreimonatiges Sabbatical einlegen.
Du brauchst eine Strategie der kleinen Dinge, die du heute tun kannst, um dich direkt besser zu fühlen.
Es ist wesentlich besser, im Laufe einer Woche kleine Dinge zu tun, um sich zu erholen, als gar nichts zu tun oder auf etwas Großes wie einen Urlaub oder eine Therapie zu warten – denn dann füllst du wenigstens die leeren Reserven wieder ein wenig auf und leerst deine Speicher nicht bis zum Burnout.
Über die Autorin
Saundra Dalton-Smith, MD, ist Ärztin für Innere Medizin und Forscherin im Bereich Work-Life-Integration. Sie ist die Autorin des Buchs Sacred Rest: Recover Your Life, Renew Your Energy, Restore Your Sanity und Gründerin einer Agentur für berufliche (Weiter-)Entwicklung, die sich mit der Wiederherstellung eines Wohlbefindens am Arbeitsplatz widmet.
Disclaimer: Dieser Artikel dient selbstverständlich nur zu Informationszwecken. Er ist kein Ersatz für eine professionelle medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung und sollte niemals als spezifischer medizinischer Rat verstanden werden. Soweit in diesem Artikel der Rat von Ärzten oder Medizinern wiedergegeben wird, handelt es sich um die Meinung des zitierten Experten.
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